Magersucht (Anorexia nervosa)
Bei der Magersucht handelt es sich um einen bewusst herbeigeführten Gewichtsverlust mit deutlichen kognitiven Störungen sowie einer Störung des Köperschemas. Diese Störung ist gefährlich und führt bei 1 von 10 Betroffenen zum Tod. Daher ist es wichtig, diese Störung möglichst früh zu behandeln.
Einzeltherapien müssen, unserer Ansicht nach, auch durch Gruppentherapien, Physiotherapie sowie Sporttherapie ergänzt werden und erfordern – je nach Schweregrad und Dauer – volle Aufmerksamkeit.
Diese Behandlungsmöglichkeiten bieten wir in Absprache zeitlich beschränkt oder im Rahmen einer tagesklinischen Behandlung an.
Behandlung
Das ambulante tagesklinische Therapieangebot des 8-Wochen-Programms beinhaltet:
- Wöchentlich durchschnittlich 6 therapeutische Stunden (Gruppen- und Einzelpsychotherapie, Ergotherapie)
- Physio- und Sporttherapie einzeln und in der Gruppe 4 Stunden wöchentlich
- Entspannungstraining nach Jacobson
- Selbtsicherheitstraining nach Ullrich (Wünsche und Bedürfnisse äussern lernen, Soziale Kontakte knüpfen) 1 Stunde wöchentlich
- Computertrainingsmethoden 1 Stunde wöchentlich zur Objektivierung der kognitiven Defizite.
Dabei legen wir besonders Wert auf
- Gewichtszunahme (700g/Woche), ansonsten Fresubin-Behandlung bzw. stationäre Einweisung
- Aufbau eines Sozialverhaltens in der Gruppe
- Videokonfrontationen (Veränderung der Körperschemastörungen)
- Expositionsübungen (Essen in Restaurant) sowie Versuch, das Essverhalten durch Essprotokolle zu aktivieren und zu rhythmisieren
- Reduzierung der Hyperaktivität (Sport)
- Einleitung von sozialmedizinischen Massnahmen (Veränderung der Wohnsituation, Loslösung vom Elternhaus).
Falls indiziert werden auch medikamentöse Therapien z.B. mit Fluoxetine (SSRI) eingesetzt. Dies in Rücksprache mit den vor- und nachbehandelnden Ärzten.
Einzeltherapeutisches Angebot
Gewichtsprogramm und Einzelthearpie nach Bedarf.
Therapieziele
- Gewichtszunahme bis zum definierten Zielgewicht
- Gewichtsstabilisierung
- Verhinderung von Folgeerscheinungen durch kontinuierliche medizinische Behandlung (EKG, Labor, Gewichtsmessungen)
- Motivation für eine stationäre Therapie
Dazu arbeiten wir mit der Patientin zunächst in einer ersten Prozessphase
- an der Therapiemotivation
- an der Compliance
- am vertieften Verständnis der Problem- und Krankheitszusammenhänge
- am Zugang zur körperlichen Erlebnisfähigkeit über Sport- und Physiotherapie
Diese erste Prozessphase kann sich über einen längeren Zeitraum, oft sogar über die gesamte Dauer der 8 Wochen erstrecken. Das bedeutet, dass Symptomfreiheit nicht erreicht wird, aber das Bewusstsein für weitere therapeutische Schritte geschaffen worden ist.
Abhängig von der Persönlichkeitsstruktur und den kognitiven Fähigkeiten kann ferner an der Introspektionsfähigkeit, an der Konfrontierbarkeit und an der Konfliktfähigkeit gearbeitet werden.
Wissenschaftlich zu erwartende Erfolgsrate
Nach den harten Kriterien (Gewichtszunahme, Verbesserung des sozialen Funktionierens und der psychosexuellen Entwicklung) bei ambulanten Therapien der Anorexia nervosa ergeben sich folgende Resultate:
- Bei anorektischen Patienten hilft eine unterstützende Medikation wenig (Walsh, 1992).
- Nur 60% der Anorexia nervosa Patienten sind für eine stationäre Behandlung motivierbar (Crisp et al., 1991). Für teilstationäre oder ambulante Behandlungen sind 90% motivierbar. Individuelle Therapie führt am meisten zu Therapieabbrüchen, in Familientherapie sowie Gruppentherapie können Patienten länger gehalten werden.
- 1 Jahr nach der teilstationären oder ambulanten Behandlung ist eine Gewichtszunahme von 9-10.2kg bei Anorexia nervosa Patienten zu erwarten (Crisp et al., 1991).
- Teilstationäre oder ambulante Behandlungen sind für Anorexia nervosa Patienten genauso effektiv wie viel längere Hospitalisationen (Crisp et al., 1991).
- Bei jüngeren Patienten mit einer kürzeren Krankheitsdauer ist der Einbezug der Familie wesentlich (Russell, Szmukler, Dare, & Eisler, 1987).
- Kognitive Verhaltentherapie ist der interpersonellen Therapie sowie der Familientherapie nicht überlegen (Galsworthy-Francis, L. & Allen, S. 2014).
Literatur Magersucht
Crisp, A.H., Norton, K., Gowers, S., Halek, C., Bowyer, C., Yeldham, D., Levett, G., & Bhat, A. (1991). A controlled study of the effect of therapies aimed at adolescent and familiy psychopathology in anorexia nerovsa. British Journal of Psychiatry, 159, 325-333.
Russell, G.F.M., Szmukler, G.I., Dare, C., & Eisler, (. (1987). An evaluatioin of family therapy in anorexia nervosa and bulimia nervosa. Archives of General Psychiatry, 44, 1047-1056.
Walsh, B.T. (1992). Pharmacological treatment of eating disorders. In K. Halmi (Ed.), The psychobiology and treatment of anorexia nervosa and bulimia nervosa (pp. 329-340). Washington, D.C.: American Psychiatric Press.
Wilson, G.T., & Fairnburn, C.G. (1993). Treaments for eating disorders. In P.E. Nathan, & J.M. Gorman (1998). A guide to treatments that work (S. 501-530). New York: Oxford University Press.